Lawinen - Erfahrung aus der Geschichte

Dank der Lehren aus den vergangenen Lawinenwintern hat sich der Lawinenschutz in der Schweiz stark weiterentwickelt. Investiert wurde in Aufforstungen, Verbauungsprojekte, Gefahrenkarten oder temporäre Massnahmen. Dennoch kommt es in den Alpentälern nach grossen Schneefällen nach wie vor zu Lawinenniedergängen. Bedroht sind Siedlungen, Verkehrsinfrastrukturen, Tourismus- und Wintersporteinrichtungen sowie Schutzwälder. In der Schweiz kommen im langjährigen Mittel 24 Menschen in Lawinen ums Leben. Die meisten Lawinenopfer sind heute Schneesportlerinnen und Schneesportler.

 

UNESCO-Kulturerbe

UNESCO-Kulturerbe

Die UNESCO hat den Umgang mit der Lawinengefahr in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Die Lawinen führten im Alpenraum zu neuen Formen des kollektiven Umgangs mit Risiken. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte die alpine Bevölkerung Strategien, um Lawinen vorauszusehen, sich davor zu schützen und Opfer zu retten.  

Dokumentation und Ereigniskataster

Dokumentation und Ereigniskataster

Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF beschreibt in seinen Winterberichten seit 1936/37 Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr sowie ausgewählte Unfälle mit Personen- und Sachschäden. Diese langjährige und wertvolle Dokumentationsreihe bildet nicht nur eine wichtige Grundlage für Lawinengefahrenkarten und die Planung von Schutzmassnahmen. Sie erlaubt es auch, langjährige Trends zu analysieren und damit abzuschätzen, wie wirksam Präventionsmassnahmen sind. 

Die Kantone sind verpflichtet, Ereigniskataster und Gefahrenkarten für Lawinen zu führen. Aktuell sind schweizweit 99% der Flächen erfasst. Das Lawinenbulletin informiert Schneesportlerinnen und Schneesportler sowie lokale Lawinen- und Sicherheitsdienste über die aktuelle Schnee- und Lawinensituation und warnt die Bevölkerung. 

Lawinen und Klimawandel

Lawinen und Klimawandel

Fachleute gehen davon aus, dass sich die Eigenschaften der Lawinen verändern

Die Klimaerwärmung macht sich im Gebirge besonders stark bemerkbar: Die Gletscher schwinden, der Permafrost taut auf, die Schneedecke verändert sich und extreme Niederschläge werden häufiger. Das wiederum hat auch einen Einfluss auf die Lawinenaktivität. Noch ist es ungewiss, ob es in Zukunft häufiger oder weniger häufig Lawinen gibt. Doch die Fachleute gehen davon aus, dass sich die Eigenschaften der Lawinen verändern – beispielsweise, indem steigende Temperaturen das Fliessverhalten beeinflussen. 

Wie sich der Klimawandel auf alpine Massenbewegungen in der Schweiz auswirkt, untersucht das interdisziplinäre Forschungsprogramm «Climate Change Impacts on Alpine Mass Movements» (CCAMM).

Wirkungsvolle Massnahmen

Wirkungsvolle Massnahmen

Der Lawinenwinter 1999 hat gezeigt, dass sich Gefahrenkarten generell gut bewähren. Auch Schutz- und temporäre Massnahmen erfüllen ihre Funktion. Gebäude, die erstellt wurden, bevor Gefahrenzonen ausgeschieden wurden, können Hauseigentümerinnen und -eigentümer mit baulichen Schutzmassnahmen schützen. Beispiele für Massnahmen sind:

Raumplanerische Massnahmen

  • Gefahren- und Risikokarten erstellen  
  • Gefahrengebiete im Zonenplan bezeichnen 
  • Gefährdete Gebiete nicht weiter überbauen bzw. nicht einzonen 

Technische Massnahmen

  • In Anrissgebieten Stützverbauungen erstellen 
  • Ablenk- oder Auffangdämme sowie Bremsverbauungen errichten 
  • Lawinengalerien bauen  
  • Lawinen künstlich auslösen 
  • Gebäude verstärken 
  • Verwehungsverbauungen erstellen 

Biologische Massnahmen

  • Schutzwälder pflegen

Organisatorische Massnahmen

  • Notfallplanung erstellen  
  • Strassen sperren 
  • Häuser räumen und Menschen evakuieren 

Individuelle Warnungen in Davos

Davos ist aufgrund der topografischen Lage und Siedlungsdichte besonders verletzbar. Die Stadt hat deshalb stark in den Lawinenschutz investiert und unter anderem ein zeitgemässes Informationssystem aufgebaut: Seit 2019 wird die interessierte Bevölkerung per SMS vor Lawinen gewarnt.

Chronik

Grosse Lawinenniedergänge in den Schweizer Alpen

1888

Innerhalb der beiden Monate Februar und März gingen in der Schweiz mehr als 1000 „erheblich schadenbringende Lawinen“ nieder. Am stärksten betroffen waren die Kantone Tessin, Graubünden und Wallis. Die Folgen waren verheerend: 49 Menschen und 700 Stück Vieh starben, 850 Gebäude und 1325 Hektaren Wald wurden zerstört. Nach diesem Lawinenwinter wurde erstmals eine Ereignisdokumentation erstellt. Dieser Ereigniskataster bildete eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der Lawinenkartierung.

Grosse Grundlawine vom Tremorgio oberhalb den 3 Kapellen bei Ambri gefallen am 30. März 1888

1951

Zwischen dem 16. und 21. Januar fiel nördlich des Alpenhauptkamms verbreitet zwischen 100 und 250 cm Neuschnee. In der Folge waren grosse Teile der Schweizer Alpen von Katastrophenlawinen betroffen. Über den ganzen Winter gingen rund 1'500 Lawinen nieder, 98 Menschen starben. Rund 1500 Gebäude wurden zerstört. Der Lawinenwinter 1951 wird als Jahrhundertereignis bezeichnet. Daraufhin wurden Lawinenwarnung und Forschung für Schutzmassnahmen verbessert. 1953 gab es die erste Lawinengefahrenkarte der Schweiz.

1970

Am 24. Februar riss die Bächital-Lawine in Reckingen (VS) 30 Menschen in den Tod. Die Lawine überraschte die Menschen im Schlaf und verschüttete insgesamt 48 Personen. Unter den Toten befanden sich 11 Zivilpersonen und 19 Wehrmänner der Fliegerabwehrtruppen. Es handelt sich um den opferreichsten Lawinenniedergang in der Schweiz im 20. Jahrhundert. Nach dem Lawinenunglück wurden die Sicherheitsmassnahmen verstärkt, unter anderem wurden zwei Lawinendämme gebaut. 

1998/99

In diesem Winter gingen in den Alpen rund 1'200 Schadenlawinen ab und zerstörten etwa 1700 Gebäude. 17 Menschen starben, es entstanden Sachschäden von über 600 Mio. Franken: grosse Waldschäden, verschüttete Strassen und beschädigte Stromleitungsmasten. Das schlimmste Lawinenunglück ereignete sich in Evolène im Val d’Hérens (VS) und forderte 12 Menschenleben. Weitere 5 Personen kamen in Lawinen bei Bristen (UR), Geschinen (VS), Wengen (BE) und Lavin (GR) ums Leben. Daraufhin wurde das «Interkantonale Frühwarn- und Kriseninformationssystem (IFKIS)» geschaffen.

2010

Am 3. Januar löste eine achtköpfige Skitourengruppe im Diemtigtal im Berner Oberland beim Aufstieg zum „Drümännler“ ein Schneebrett aus. Mehrere Personen wurden mitgerissen. Während der Rettungsarbeiten geschah die zweite Katastrophe: Eine zweite Lawine löste sich im angrenzenden Hang und verschüttete 12 Personen. Eine dritte Lawine, die wahrscheinlich zwei weitere Tourengänger ausgelöst hatten, ging 250 m von der Unglückstelle entfernt zeitgleich nieder. Es starben 7 Menschen, darunter der Arzt der Rega. 

Weitere Informationen zu Lawinen finden Sie unter 

Letzte Änderung: 06.09.2024